Learning by doing – ist mein Fazit der Familienbergwaldprojekte des Alpenvereins. Als Familie haben wir gelernt, dass die gemeinsame Arbeit in der Natur Spaß macht und wir nicht so viel brauchen, um gemeinsam wertvolle Zeit draußen zu verbringen.

Angefangen haben wir als Familie mit dem Tiroler Bergwaldprojekt in Obernberg am Brenner, als die Zwillinge neun und unser „Großer“ zehn Jahre alt waren. Aufgenommen werden dort Familien mit Kindern zwischen sechs und 18 Jahren.

Das Highlight für kleinere Kinder ist wohl das Pflanzen der kleinen Fichten- und Lärchenbäumchen. Hier arbeiten Kinder und Erwachsene gemeinsam: Einer gräbt das Loch mit dem Spaten, der andere setzt die fünfjährigen Nadelbäume. Festtreten, fertig!

Auch Kinderteams, die sich automatisch zusammen finden, funktionieren gut. Sehr beliebt ist bei den Neun- bis 13-Jährigen auch das Entfernen der Gestrüppe mittels Sichel. Dies ist ein sehr scharfes Werkzeug und die Kinder sind stolz, das die Projektleitung ihnen den verantwortungsvollen Umgang damit zutraut.

Schutzgebiet und Kulturgut Lärchenwiesen

Alle haben großen Spaß beim Säubern der angelegten Rinnen auf den Lärchenwiesen. Was mit Gummistiefeln und Schaufeln beginnt, endet an warmen Tagen in einer Matschparty mit einer Freude, die naturnahe Familien vom Staudammbauen kennen. Bloß, dass wir das Gegnteil versuchen. Wir säubern das System aus Gräben, dasmit die Bergwiesen nicht versumpfen und Regengüsse ablaufen.

„Eine weitere wichtige Aufgabe zum Erhalt des Kulturguts Lärchenwiese ist das Entfernen heruntergefallener Äste und herumliegender Stecken“, erklärt uns Klaus Auffinger, der für das Land Tirol unter anderen das Schutzgebiet Nösslachjoch – Obernberger See – Tribulaune betreut.

Während sich die Kinder und Jugendlichen in kleinen Grüppchen organisieren, um dem Wasser in den Gräben beim Fließen zu helfen, haben wir Erwachsene schon große Haufen aufgetürmt. Die Nebenerwerbsbauern, welche die Wiesen hier im Schutzgebiet neben ihren Brotjobs pflegen, sind für die die jährliche Unterstützung durch das Bergwaldprojekt dankbar. So müssen sie sich nur noch um das Verbrennen der Äste kümmern. „Mähder und Lärchenwiesen sind ein Jahrhunderte altes Kulturgut der Alpen“, erfahren wir von unserem Gruppenleiter.

Familienbergwaldprojekt ObernbergVielfalt der alpinen Flora & Fauna kennenlernen

„So wachsen hier weiterhin unzählige Wildkräuter und seltene Alpenblumen, die nur auf den Bergwiesen vorkommen“, sagt er und zeigt uns das auf Hochmooren und Sumpfgebieten wachsende Alpen-Wollgras, das gerade in voller Blüte steht. Wir finden auch Hahnenfuß, Spitzwegerich, Schafgarbe und Flecken mit Quendelblüten, dem wilden Thymian, am Wegesrand.

Für mich als Kräuterbegeisterte ist das die Chance, alle Fragen zu mir unbekannten Gewächsen zu stellen.

Wildnis ist nicht gleich Wildnis. Werden die Baum bestandenen Bergwiesen nicht auf diese Weise gepflegt, holt sie sich der Wald zurück. Mit der Verwaldung einher geht der Verlust der vielfältigen Flora und Fauna. Denn die Wiesen bieten ganz anderen Insekten und Krabbeltieren einen Lebensraum als der Wald.

In einem anderen Gebiet schneiden wir den sich stark ausbreitenden Wacholder zurück. Kinder wie Jugendliche haben sich heute mit großen Zwicken und Handsägen bewaffnet, um den Wacholder zu zähmen. Und siehe da, unter den abgezwickten, stacheligen Ästen entdecken wir blankes Erdreich. Nun hat die Wiese wieder Gelegenheit sich dieses Gebiet zurückzuerobern.

Viel Freiheit für die Kinder in der Bergwaldwoche

Zum Bergwaldprojekt in der ersten Augustwoche wohnen wir in dem jetzt neu renovierten Alpenvereins-Jugendgästehaus kurz vor dem großen Wanderparkplatz unterhalb des Obernberger Sees. Die Verpflegung ist gut und die Kinder freuen sich darüber, dass sie ihre Jausenpakete nach dem Frühstück selbst herrichten dürfen. Auch das Abenteuer in einem Bettenlager zu nächtigen, ist für die Kinder herrlich aufregend.

Als alleinreisende Mama sind wir mit einer anderen Mutter mit zwei Mädchen zusammengelegt worden und finden dadurch schnell Anschluss. Die Gruppe besteht in der Überzahl aus Kindern und Jugendlichen  und zählt um die 30 Personen. Für die Kinder eine prägende Erfahrung: Wann ist es heutzutage schon möglich, sich in einem Rudel aus Gleichaltrigen – Kindern und Teenies – frei zu bewegen? Zu durchgetaktet ist doch unser Alltag mit Schule, Sportvereinen und Smartphone.

In unserer Projektwoche spielen nach getaner Arbeit die Kleinen ganz selbstverständlich mit den Teenies Frisbee, trommeln wilde Rhythmen auf den afrikanischen Djembes (Holztrommeln) oder haben einfach Spaß zusammen ohne Erwachsene.

Auch für mich ist dieses entspannte Zusammensein als Gemeinschaft eine positive Erfahrung. Es gibt genügend Zeit zum Quatschen, Beine hochlegen oder für einen einsamen Spaziergang in der Natur. Wer möchte, darf mit Gruppenleiterin Friederike Geppert bereits eine halbe Stunde vor dem Frühstück mit Ji Gong gelassen in den Tag starten.

Das Programm läuft wie folgt ab:

  • Nach dem Anreisetag folgen zwei Arbeitstage,
  • ein Wandertag
  • und wieder zwei Tage mit Projektarbeiten.
  • Am letzten Tag erfolgt die Abreise nach dem Frühstück.

Einer der Höhepunkte ist ohne Frage auch das gemeinsame Grillen und Feiern am Lagerfeuer.

Einsatz je nach Fähigkeiten und Alter der Kinder

Eine Besonderheit des Obernberger Familienbergwaldprojekts ist für mich die große Zahl  unterschiedlicher Aktivitäten rund um Obernberg. So bekommen die Teilnehmenden nicht nur verschiedenartige Infos zu den Schutzgebieten und den aktuellen Problemen der Bergwälder, über Artenvielfalt und Biodiversität, sondern arbeiten in den einzelnen Bereichen auch direkt mit.

Der schwierigste Einsatz der Woche war das Befreien der Zirben von den von einem Pilz befallenen Äste. Um den sogenannten Schneeschimmel an den Zirben zu bekämpfen, mussten wir hoch hinaus und nach der Anfahrt mit den geländetauglichen Alpenverein-Autos erst einmal eine gute halbe Stunde zu Fuß weitergehen.

Natürlich hieß das auch, Arbeitsgerät, Verpflegung und alles für die mittägliche Gemüsesuppe, die Bergwaldprojekt-Urgestein Helli für uns über einem Dreifuß auf dem Feuer kocht, mitzubringen. Als Ausgleich zu der anstrengendem Arbeit im steilen Gelände belohnt uns aber ein kurzer Ausflug zum nahegelegenen Lichtsee auf über 2.000 Metern Höhe.

Mehr Infos zum Familienbergwaldprojekt in Obernberg am Brenner & Buchung findest du HIER

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Verena Wagner ist Herausgeberein des Naturblog Mamirocks, Buchautorin und Journalistin.

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