„Tausende junge Menschen demonstrieren für Klimaschutz und den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären wir auf Grundlage gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse: Diese Anliegen sind berechtigt und gut begründet. Die derzeitigen Maßnahmen zum Klima-, Arten-, Wald-, Meeres- und Bodenschutz reichen bei weitem nicht aus.“ Ein Text von Claudia Michl, überregionale Koordinatorin der Scientists for Future Österreich

Das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft ist seit jeher komplex. Wissenschaftler*innen halten sich bei hitzigen Diskussionen meist eher zurück, sie legen Wert darauf, sich sachlich auszudrücken. Auch deshalb blieb lange Zeit das Problem des Klimawandels in der öffentlichen Debatte unbemerkt. Der natürliche Treibhausgaseffekt, der die Erde für uns ja erst lebensfähig macht, ist seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Mitte des letzten Jahrhunderts haben dann US-amerikanische Wissenschaflter*innen den anthropogenen Treibhausgaseffekt, also die Verstärkung des natürlichen Treibhauseffekts durch menschliche Aktivitäten, nachgewiesen. Kurze Zeit später wurde dann der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson von seinem wissenschaftlichen Beraterausschuss vor den Auswirkungen des vermehrten Ausstoßes von Kohlendioxid in die Atmosphäre gewarnt.

Auf dem letzten Weltklimagipfel im Dezember 2019 reichte es trotzdem nicht für ein staatenübergreifendes Bekenntnis aus, sich 2020 ehrgeizigere Ziele zu setzen. Stattdessen stoßen wir immer noch vermehrt Treibhausgase aus. Nachdem die weltweite Durchschnittstemperatur in den letzten tausend Jahren relativ konstant war, ist sie seit der Industrialisierung so stark angestiegen, dass die Kurve dazu wie ein Hockeyschläger aussieht. In der Öffentlichkeit werden der menschengemachte Klimawandel und dessen Folgen oft angezweifelt. Richtig ist allerdings, dass die Folgen von der Wissenschaft sogar tendenziell unterschätzt werden. Der anthropogene Klimawandel findet statt, das ist ein Fakt, der von 97 Prozent der weltweiten Klimawissenschaftler*innen bestätigt wird; und auch der Großteil der österreichischen Bevölkerung sieht den Klimawandel mittlerweile als ernste Bedrohung an.

Das Arktiseis schmilzt

Es gilt beispielsweise als bestätigt, dass das Arktiseis schmilzt – rascher als bisher angenommen. Dies ist für uns Menschen aus zweierlei Hinsicht problematisch. Einerseits begünstigt das schmelzende Arktiseis die zunehmende Erwärmung. Das frei werdende Wasser nimmt nämlich vermehrt Sonnenenergie auf und heizt sich auf. Schnee und Eis haben hingegen ein hohes Rückstrahlvermögen des Sonnenlichts, nur ein kleiner Teil der einfallenden Sonnenenergie wird aufgenommen. Dies gilt im Übrigen auch für das Gletschereis in den Alpen. Deshalb erwärmt sich der Nordpol besonders schnell, sobald weniger Eis vorhanden ist. Dies verändert unter anderem Meeresströme und damit Winde und führt dadurch auch bei uns zu mehr Extremwetterereignissen. Der dadurch ansteigende Meeresspiegel bedroht Lebensräume in Küstenregionen. Viele Wissenschaftler*innen sehen sich daher derzeit herausgefordert, ihre geschützten Räume zu verlassen und eine stärkere öffentliche Rolle einzunehmen. Dabei ergeben sich neue Möglichkeiten der Neuorganisation und kollektiven Mobilisierung, um sich Gehör zu verschaffen.

Scientists for Future – Stimme der Wissenschaft

Seit 2018 demonstrieren weltweit, nach dem Vorbild der Schwedin Greta Thunberg, Schüler*innen, Student*innen und andere (junge) Menschen und fordern eine mutige Umweltschutzpolitik in Übereinstimmung mit dem 1,5°CZiel des Pariser Klimaabkommens. Angeregt von einer Initiative in Belgien bildete sich Anfang 2019 eine Gruppe von deutschen Wissenschaftler*innen, die die Inhalte der FFF-Demonstrant*innen unterstützen. Die Bewegung wuchs sehr rasch und dehnte sich schnell auf Österreich und die Schweiz aus. Das Ergebnis ist ein Gemeinschaftswerk, das von über 26.800 Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mitgetragen wird. Seitdem hat sich einiges getan, eine internationale Stellungnahme wurde aufgesetzt und in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlicht . Außerdem wurde ein Video veröffentlicht, das auf Video-Material von 133 Wissenschaftler*innen basiert.

Auch auf den weltweiten Klimastreiks formieren sich die Scientists for Future regelmäßig unter dem eigens kreierten Logo, um die Jugendlichen lautstark zu unterstützen. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Regionalgruppen  , die durch lokale und regionale Aktivitäten öffentlichkeitswirksam agieren und die Vernetzung untereinander pflegen. Scientists for Future sind sich einig, die Politik muss wissensbasierte Maßnahmen so rasch und großflächig wie möglich implementieren, um so die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige, klimagerechte und lebenswerte Zukunft zu setzen.

Doch auch jede/r Einzelne ist gefragt, im Rahmen ihrer bzw. seiner persönlichen Möglichkeiten. Umstellung der eigenen Lebensweise ist das eine, aber vor allem die Kommunikation mit anderen und das Wahlrecht sollten jedenfalls genutzt werden. Denn nur wenn alle zusammenarbeiten, ebnen wir den Weg in eine lebenswerte Zukunft mit sogar erhöhter Lebensqualität – noch haben WIR die Fäden in der Hand.

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Claudia Michl ist überregionale Koordinatorin der Scientists for Future, Österreich.

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