Nachhaltigkeit. Jedes Mal, wenn mir dieser Begriff unterkommt, lerne ich wieder eine neue Interpretationsmöglichkeit und Bedeutung kennen. Auf der einen Seite ist all das, was sich damit verbinden lässt, heute wichtiger denn je, auf der anderen Seite kann ich´s schon fast nicht mehr hören.

Dieses Wort, das so viel bedeuten kann, und dann wieder so undefiniert ist und vielleicht gerade deshalb das aktuelle Lieblingswort aller Marketingabteilungen der Welt zu sein scheint.

Die Alpenvereinsjugend will beim Thema Nachhaltigkeit Vorbild sein, mutig und aufgeschlossen. „Nachhaltigkeit bedeutet nicht immer gleich Verzicht. Oft sind Alternativen ungewohnt, aber schmackhafter (Fleischalternativen), billiger (keine dritte Regenjacke) oder bequemer (ins Wandergebiet zwei Bergrücken weiter anstatt mit dem Flugzeug nach Spanien).“ Im Auftrag, den sich die Netzwerkgruppe Nachhaltigkeit der Alpenvereinsjugend selbst gibt, stecken drei Perspektiven von Nachhaltigkeit: Ernährung, Konsum und Mobilität. Da geht’s gleich mal um ganz schön viel, wenn nicht gar um alles.

Es geht aber auch darum, einfach mal das eigene Handeln zu hinterfragen, ohne mit erhobenem Finger herumzulaufen. Wenn schon mit dem Finger zeigen, dann auf Möglichkeiten der Veränderung, die wir selbst sofort und einfach beeinflussen können. Der persönliche Kontakt im unmittelbaren täglichen Umfeld ist der beste Ausgangspunkt dafür.

Reparieren statt wegschmeißen

Genau da habe ich Gertraud Grötzmeier kennengelernt. Und das ging so: Die untere Naht einer Innentasche meines liebsten Gore-Tex -Winterparkas war aufgegangen.

Auf meine Frage, was ich tun solle, bekam ich über den Outdoor-Dealer meines Vertrauens eine durchaus lösungsorientierte Antwort vom Hersteller. Nachdem ich meinen Parka aber nicht nach Deutschland schicken wollte, begab ich mich mit dieser Info auf die Suche nach einer Reparaturmöglichkeit in meiner Nähe. In einer kurzen Online-Recherche entdeckte ich die Firma Grötzmeier, 20 Kilometer entfernt von meinem Zuhause. Nach einer einfachen Reparaturanfrage über die Website mitten in der Nacht erhielt ich am folgenden Tag schon Antwort.

Es muss nicht alles glänzen, was Gold ist

Ich war begeistert und am Tag darauf vor Ort. Es war schon etwas komisch, als ich im Geschäft stand und umgeben war von hochwertiger Motorrad-Bekleidung. Der erste Eindruck passte da so gar nicht in das bedeutungsschwangere Hochglanzbild, das ich zum Thema Nachhaltigkeit in der Outdoor-Branche im Hinterkopf hatte. Aber: Es zählt das, was man tut (und was man liebt). Das wurde mir im Gespräch mit Gertraud Grötzmeier eindrucksvoll bestätigt. Ihr Antrieb: Das Handwerk. Ihre Liebe: kompromisslose Qualität, Service und Langlebigkeit.

Seit 1989 macht Gore-Tex das Versprechen: „Guaranteed to keep you dry.“ Toll. Doch bald nach Verkündung dieses Versprechens kam in den 1990er Jahren die Frage: Wer kann dieses Material reparieren? Grötzmeiers wurden beim CEO vorstellig und kurz darauf besuchte eine Delegation der Firma ihre Werkstatt und wenig später waren sie der einzige Betrieb in Europa, der Reißverschluss-Reparaturen, eines von Gore entwickelten Reißverschlusses, machen durfte. Heute übernehmen sie Reparaturen und Änderungen für namhafte Unternehmen der Outdoor-Bekleidungsbranche, führen Dichtheitsprüfungen durch, machen Repair-Events und reparieren oder ändern auch für Privatpersonen. Tendenz stark steigend.

Am Tag meines Besuchs sind ungefähr 350 Reparaturen im Haus. „Was wir hier tun, macht einen Unterschied, weil wir dafür sorgen, dass unsere Kund*innen länger Freude haben“, ist sich Getraud Grötzmeier sicher. Darum wurde auch gerade ausgebaut. Und was können wir tun?

Funktionsbekleidung waschen oder nicht?

Ich war mir da nie sicher und hörte immer unterschiedliche Meinungen dazu. Aber Langlebigkeit beginnt mit der richtigen Pflege. Hier die Auskunft vom Profi: Ja, Gore-Tex Material ist wasserdicht. Ja, Gore-Tex-Bekleidung soll mit Spezialwaschmittel gewaschen werden. Ja, Gore-Tex bleibt nach dem Waschen wasserdicht. Das Imprägnieren nach dem Waschen hilft zusätzlich dabei, den Abperleffekt zu erhalten, hat aber nichts mit der Wasserdichtheit zu tun. Wichtig ist, die Imprägnierung direkt nach dem Auftragen mit einem Föhn leicht zu erwärmen. Verfärbte Stellen heißen nicht automatisch, dass die Wasserdichtheit verloren gegangen ist.

Wer nicht sicher ist, kann´s einfach testen: Taschentuch unter die betroffene Stelle legen, Wasser oben auf die Jacke drauf, schauen, ob was durchgeht. Undichte Stellen können repariert werden. Ist die undichte Stelle zu groß und die Jacke kann nicht repariert werden, kann sie immer noch getragen werden, ist halt nicht mehr wasserdicht. Wird die Jacke entsorgt, muss sie aufgrund ihrer Zusammensetzung auf den Sperrmüll.

Und das ist das Letzte, was Getraud Grötzmeier will. Sie hat mit ihrem Sohn auch schon verschiedene Arten der Wieder- bzw. Weiterverwendung von Funktionsmaterial ausprobiert und ist diesbezüglich ständig am Tüfteln.
„Nachhaltigkeit beinhaltet für mich auch, Müll so gut wie möglich zu vermeiden“, ist sie überzeugt. Ein kleiner Ausblick auf die aktuellsten Entwicklungen im Bereich der Materialien für Funktionsbekleidung zeigt, dass der komplette Zyklus eines Produkts inklusive Entsorgungsmöglichkeiten immer mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Natürliche Ausgangsmaterialien sind stark im Kommen.

Zurück zur Natur?

„Würde heute jemand Leder erfinden, das wäre die absolute Revolution. Superfunktionell, langlebig über Generationen hinweg, strapazierfähig, anpassungsfähig, immer reparierbar, wiederverwertbar, selbst die Entsorgung, wenn´s dann wirklich sein muss, macht keine Probleme“, denkt Gertraud Grötzmeier laut nach und lächelt. Diese charmante Zuversicht wirkt ansteckend, das handwerkliche Know-how vermittelt Sicherheit und das unaufgeregte Bewusstsein über die Verbundenheit mit der Natur beeindruckt mich.

Wenn ich mir neue Ausrüstung kaufe, achte ich schon seit längerem auf hohe Qualität, die Langlebigkeit und Funktionalität verbindet. Lieber einmal richtig investieren und dann lang zufrieden sein, als jedes Jahr dem neuesten Trend hinterherlaufen. Das ist schon länger meine Devise. Die Möglichkeiten der Reparatur erweitern meine Definition von Qualität. Dass Reparieren cool ist, habe ich schon öfter gelesen. Dass die Freude an hochwertiger Ausrüstung durch eine Reparatur aber nochmal gesteigert wird, habe ich erst jetzt selbst erfahren. Ein wirklich gutes Gefühl diese Freude. Bitte ausprobieren. Es funktioniert.

Weiterlesen:

Nachhaltigkeit in der Alpenvereinsjugend
https://www.alpenverein.at/jugend/nachhaltigkeit/

Nachhaltigkeit lernen und leben:  Bergauf 4-2021

Gertraud Grötzmeier e.U. Kürnbergstraße 5, 4061 Pasching https://groetzmeier.at/

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Christian Bartak ist Unternehmensberater, risk'n'fun-Trainer und begeisterter Papa.

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