Meine Leidenschaft sind Skidurchquerungen. Stubaier Alpen, Zillertaler Alpen, Rätikon, Verwall, Silvretta, Hohe Tauern, Glarner, Urner, Berner Alpen. Skidurchquerungen gibt es viele, die haben es mir angetan, sind teilweise schon durchgeführt oder noch in meinem Kopf. Das Beste daran ist: Sie eignen sich perfekt dazu, mit öffentlichen Verkehrsmitteln und somit klimafreundlich anzureisen, da Start- und Endpunkt selten dieselben sind. Bei Durchquerungen kommt oft alles anders als geplant und es kann passieren, dass man in einem anderen Tal herauskommt als ursprünglich gedacht. Ist man jedoch mit Öffis unterwegs, ist man dabei flexibel, da kein Auto darauf wartet, nach Hause gebracht zu werden.

Wir wagen den Öffi-Selbstversuch …

Eine Schönwetterphase steht vor der Tür. Es ist Juni und die Schneegrenze ist bereits sehr hoch, darüber liegt aber immer noch viel Schnee. Das heißt: Skitouren benötigen eine hohe Starthöhe, wenn man nicht auf Skitragen steht. Die Skitourendatenbank in meinem Kopf liefert da sofort ein klares Ergebnis.

Es sind perfekte Bedingungen für eine Durchquerung der Ötztaler Alpen mit hohem Start im Kaunertal auf 2.750 m, einem Abstecher ins hintere Ötztal und mit Ende am Pitztaler Gletscher; der Skiweg könnte noch bis weit ins Tal schneebedeckt sein und beide Täler sind öffentlich gut angebunden.

Was für eine perfekte Skidurchquerung noch fehlt, sind Freundinnen, die Mitte Juni immer noch motiviert für Skiabenteuer sind und die sich nicht vor Öffis fürchten. Ich habe Glück und Teresa und Dani sind sofort von meiner Idee begeistert. Die grobe Route ist schnell geplant, die Detailplanung wird auf die Anreise im Zug verlegt, da ist noch genügend Zeit dafür.

Auf dem Weg zum Brochkogeljoch

Entspannt mit den Öffis ins Skitouren-Abenteuer

Als Team sind wir perfekt eingespielt – die Packliste, Aufteilung von Material und Verpflegung sind schnell organisiert. Unsere unterschiedlichen Anfahrtsrouten führen uns am Bahnhof Innsbruck zusammen.

Als erfahrene Öffi-Fahrerinnen haben wir bereits unsere Stöcke mittels Strap auf die Ski gespannt und Schuhe und Helm fest am Rucksack verstaut, um möglichst kompakt unterwegs zu sein. Bei Durchquerungen versucht man ohnehin, möglichst gewichtssparend zu packen. Das Argument des schweren Gepäcks ist somit entkräftet.

Während der Fahrt finalisieren wir die Tourenplanung und überlegen uns mögliche Varianten, falls sich die Lawinen- oder Schneelage vor Ort anders zeigen als erwartet. Essenziell ist die Speicherung der Busfahrpläne für alle Varianten, denn am Berg kann Internetempfang Mangelware sein. Eine Powerbank im Rucksack zu haben, ist bei mehrtägigen Touren ohnehin kein Fehler. Sorgen bereitet uns noch die Gewittermeldung für den Nachmittag, da sollten wir aber schon auf der Hütte sein.

Warten auf den Zug in Landeck

Mit Zug und Bus ins Kaunertal

In Landeck wechseln wir vom Zug in den Bus, müssen in Prutz noch einmal umsteigen und dann geht’s bis ganz hinten rein ins Kaunertal zur geschlossenen Gletscherbahn. Nicht alle Zug- und Bus-Verbindungen sind so gut aufeinander abgestimmt wie diese heute.

Will man Skitouren öffentlich unternehmen, lohnt es sich, Verbindungen zu den wichtigsten Ausgangs-/Endpunkten im Kopf zu haben. Nur weil ein Routenplaner am Sonntag keine Verbindung zum gewünschten Ausgangspunkt anzeigt, heißt das noch lange nicht, dass am Samstag kein Bus fährt. In manche Taler kommt man super in aller Früh rein, aber nicht mehr raus. Fährt man im Nachbartal ab oder dreht die Tour um, ist das Problem vielleicht schon gelöst.

Der Parkplatz am Kaunertaler Gletscherskigebiet ist menschenleer. Wir starten unsere Tour auf der verlassenen Skipiste und steuern das Nörderschartl an. Von dort geht’s erst über einen Grat und dann über den Gletscher zur Weißseespitze. Wir kommen nur langsam voran, weil wir am Grat teilweise bis zum Bauch im Schnee versinken, es ist halt doch schon Juni. Zu unserer Überraschung ziehen bereits am Vormittag schwarze Wolken auf uns zu. Zum Glück geht‘s nach dem Grat schneller voran, auch wenn wir nun in dichtem Nebel stecken. Das Gipfelkreuz finden wir nur mittels GPS, man sieht nur wenige Meter weit. Bei der Abfahrt entscheiden wir uns, am Seil abzufahren, um nicht unverhofft in einer Gletscherspalte zu verschwinden.

Im Dichten Nebel über den Gepatschferner

Es macht sich nun bezahlt, dass wir uns die erforderlichen GPS-Tracks vorab aufs Handy gespeichert haben, die uns nun den Weg durch den dichten Nebel zum Brandenburger Haus weisen.

Unvergessliche Momente

Der Winterraum ist sehr gemütlich und kurz darauf steht ein herrlich duftendes Essen auf dem Tisch. Der Ofen verteilt eine angenehme Wärme. Kurz vor Sonnenuntergang lichtet sich der Nebel und wir sehen unsere einsamen Spuren, die kreuz und quer über den Gletscher führen. Irre, wie orientierungslos man ohne Sicht sein kann. Das Panorama und die Abendstimmung sind unbeschreiblich. Das sind Momente, die lange in Erinnerung bleiben.

Am nächsten Tag sind Fluchtkogel und Vernagtspitze geplant. Wetter und Schneeverhältnisse meinen es gut mit uns und wir werden mit Sonnenschein und perfektem Firn belohnt. Auf unserem Tagesziel, der Vernagthütte, angekommen, trauen wir unseren Augen nicht, als wir zwei weitere Skitourengeher sehen, die zu Fuß von Vent aufsteigen und mangels Schnee ihre Ski bereits drei Stunden getragen haben. Gut, dass unsere Tour am nächsten Tag wieder nach oben führt, denn der Schnee hört tatsächlich direkt vor der Hütte auf.

Auf den Skiern der beiden Skitourengeher klebt ein Aufkleber von POW (Protect our Winters), einer Umwelt-NGO, die sich für nachhaltigen Wintersport und Klimaschutz einsetzt. Ich frage mich oft, ob deren Mitgliedern, zu denen ich mich auch zählen darf, das Thema klimafreundliche Mobilität ein Anliegen ist und stelle oft die Frage nach der Anreiseform, wobei „öffentlich“ selten die Antwort darauf ist.

Was ich oft höre: „Viele Ausgangspunkte zu diversen Touren sind nicht öffentlich erreichbar und die Fahrt dauert zu lange. „Das stimmt natürlich teilweise, oft gibt es jedoch Wandertaxis o.ä., die helfen, die letzte Meile zu überwinden. Die Angebote des sogenannten Mikro-ÖVs ausfindig zu machen, ist oft nicht ganz so einfach. Einen österreichweiten Überblick der Angebote liefert z.B. die Seite bedarfsverkehr.at.

Skibusse sind oft nicht in den Routenplanern hinterlegt, sind für Touren in Skigebietsnähe aber oft eine Alternative, da sie das Netz verdichten und die Taktung erhöhen.

Öffi-Touren planen und durchführen – so geht’s leichter

Die Öffi-Tourenplanung kann man sich mittels Öffi-Skitourenführer oder Tourenportalen erleichtern, die auf öffentliche Erreichbarkeit Wert legen. Auf alpenvereinaktiv.com gibt’s eine Filterfunktion für Öffi-Touren. Die Suchmaschine zuugle.at verknüpft diverse Tourenportale mit Fahrplänen.

Das Argument mit der langen Fahrzeit stimmt teilweise, lässt sich aber beispielsweise mit längerer Aufenthaltsdauer reduzieren, oder indem die Zeit in den Öffis bewusst genutzt wird, z.B. mit Tourenplanung, einem Frühstück oder After-Tour-Getränk, einem kurzen Nickerchen oder dem Austauschen der Fotos, das würde zu Hause oder im Gasthaus ohnehin Zeit in Anspruch nehmen.

„Lange“ ist relativ und definiert sich ausschließlich in unseren Köpfen, wie so vieles anderes auch: Wenn wir uns ehrlich sind, hängt alles nur von unserer Einstellung ab. Sobald wir von klimafreundlicher Mobilität überzeugt sind, wird plötzlich für jedes negative Argument ein positives gefunden, ein Umdenken beginnt als allererstes in unseren Köpfen und die gilt es zu steuern.

Einsam auf der Wildspitze und beschwingt ins Tal

Bei uns bricht bereits Tag drei an, auf dem die Wildspitze am Programm steht. Der Massenansturm auf den höchsten Berg Tirols bleibt heute aus und wir kommen allein am Gipfel an. Kurz nach uns kommen die beiden Skitourengeher vom Vortag nach. Den beiden steht heute noch ein langer Abstieg bevor, sie müssen zurück zum Auto nach Vent. Wehmütig schauen sie uns nach, wie wir gut gelaunt Richtung Pitztal schwingen, über verlassene Pisten runter zum Skiweg, der leider geräumt wurde. Eine Stunde Skitragen ist aber okay für diese Jahreszeit.

Gipfelglück auf der Wildspitze

Wir trauen unseren Augen kaum, als kurz vor Schluss ganz unerwartet eine bewirtschaftete Hütte auf uns wartet. Unser Durst ist kaum zu stillen und auf den Wechsel von Skihose und Skischuhen auf Shorts und Turnschuhe freuen wir uns schon lange.

Nach ausgedehnter Rast kommen wir pünktlich bei der Bushaltestelle am Pitztaler Gletscherskigebiet an, wenige Minuten später fährt schon der Bus ein. Diesmal ist wirklich alles perfekt aufgegangen.

Auf der gemütlichen Heimreise nutzen wir die Zeit, um Fotos auszusortieren und zu teilen. Und da kommen auch sofort wieder neue Ideen für neue Abenteuer….Aber eins ist trotzdem klar: Die Ski kommen jetzt erst einmal für ein paar Monate in den Keller.

Tools & Tipps für die Öffi-Anreise

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Irene Welebil ist Mitarbeiterin des Österreichischen Alpenvereins und beschäftigt sich dort u.a. mit Fragen zur Mobilitätswende.

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