Vorsicht ist bei Wildtieren das oberste Gebot, denn zu wenig Wachsamkeit kann schnell den Tod durch einen Fressfeind zu Lande oder aus der Luft bedeuten. Aus diesem Grund bekommt man manche Tiere selten zu Gesicht, obwohl man weiß, dass sie wahrscheinlich gar nicht weit entfernt vom Weg verharren.

Allerdings gibt es auch bei Tieren Zeiten oder Umstände, zu denen sie risikofreudiger und weniger wachsam sind.

Eine besonders „risikoreiche Phase“ ist die Übergangsphase vom Jungtier zum adulten Tier, die Pubertät also. Tiere sind in der Pubertät abenteuerlustig, impulsiv und risikofreudig. Grundsätzlich ähnelt das Verhalten der Tiere damit ein bisschen dem der Menschen.

Wie lange die Pubertätsphase anhält, ist sehr unterschiedlich. Diese kann von wenigen Tagen über Monate bis hin zu Jahren dauern und hängt unter anderem von der Lebenserwartung der Tiere ab. Je länger die Lebensphase, desto länger die Pubertät. Eine Katze erreicht die Pubertät mit ca. einem halben Jahr und beendet diese mit ca. eineinhalb Jahren. (Im Vergleich dazu kommen Buckelwale erst mit vier Jahren in die Pubertät, diese hält allerdings ca. 16 Jahre an.)

In der Pubertät haben auch Tiere Spaß daran, Neues zu entdecken, neue Erfahrungen zu machen oder gar andere Tiere „kennen zu lernen“. Wie auch bei den Menschen fühlen sich einige Tierarten (z.B. Orang Utans) in der Gruppe sicherer und treten waghalsiger auf als alleine. Die Psychologin Linda Spear von der New Yorker Binghamton University hat in Neuroscience and Biobehavioral Reviews publiziert, dass halbwüchsige Mäuse oder Ratten in einer fremden Umgebung geradezu hyperaktiv wirken.1 Allerdings endet zu große Neugierde und die damit verbundene Risikobereitschaft in der Natur auch häufig tödlich.

Eine weitere Phase mit stark risikofreudigem Verhalten ist während der Brunft bzw. Balz, also während der Brautschau. In dieser Zeit werden gerade bei männlichen Tieren die üblichen Vorsichtsmaßnahmen oft stark reduziert und der Fortpflanzungstrieb drängt sich in den Vordergrund. In dieser Zeit kommt es auch nachweislich zu mehr Tiertötungen im Straßenverkehr.2

Wie wagemutig ein Wildtier ist, hängt unter anderem auch von seiner Lebensgeschichte ab. Wenn ein Tier in der Vergangenheit hungern musste, also sich in einem schlechten Versorgungszustand befand, steigt die Risikobereitschaft – etwa bei der Nahrungssuche oder beim Erkundungsverhalten – um 26 Prozent! Das hat eine Studie der Friedrich-Schiller-Universität Jena gezeigt, für die über 120 Einzelstudien mit mehr als 100 unterschiedlichen Tierarten ausgewertet wurden.3 Teilweise sinkt der Fluchtreflex, teilweise wird gefährlichere Beute gejagt oder das Futter wird an eher ungeschützten Plätzen gesucht.

Zu einem geringen Teil ist risikofreudiges Verhalten aber auch angeboren. Auch hier verhält es sich wie bei uns Menschen, es gibt vorsichtige oder mutige, scheue oder tapfere, aggressive oder friedfertige Typen.

1 https://www.sueddeutsche.de/wissen/pubertaet-tiere-elefanten-affen-adoleszenz-1.4587435

2 https://jagd1.de/magazin/zahlreiche-wildunfaelle-wo-liegen-die-ursachen/

3 https://www.uni-jena.de/201005-risikoverhalten-schielzeth

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Birgit Kantner ist Mitarbeiterin in der Abteilung für Raumplanung und Naturschutz beim Österreichischen Alpenverein.

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