„Wenn alles vom Menschen geformt ist, verstummt der Dialog mit der Natur.“

Wir haben Anna, Naturschutzreferentin in der Sektion Hohe Munde getroffen und sie gefragt, was sie antreibt und welches Potenzial in einem Naturschutzteam in der Sektion liegt.

Anna, wie kam es dazu, dass du Naturschutzreferentin geworden bist?

Gerade bei Themen, die einem am Herzen liegen, sollte man sich überlegen, wie man selbst etwas bewegen kann. Das ist bei mir derzeit vordergründig der Naturschutz. Besonders viel liegt mir am Erhalt der letzten Wildflüsse, aber auch urwaldähnliche Wälder und Moorlandschaften faszinieren mich. Ich glaube, dass wir diese Naturlandschaften ohne menschliche Überprägung als Gegenpol brauchen.  Wenn alles vom Menschen geformt ist, verstummt der Dialog mit der Natur. Woher bekommen wir als Menschheit dann noch Inspiration? In Tirol haben wir wunderschöne Naturräume, doch sie sind gerade jetzt wieder enormem Erschließungsdruck ausgesetzt. Kraftwerksprojekte wie das Speicherkraftwerk Kühtai und der Ausbau des Kaunertalkraftwerks stellen schwerwiegende Eingriffe in den Wasserhaushalt der Stubaier Alpen und der Ötztaler Alpen dar. Nur wenn wir uns vernetzen, können wir die betroffenen Gebirgsbäche und die Hochtäler Längental bei Kühtai und Platzertal beim Kaunertal als letzte alpine Freiräume retten. Kaum eine Umweltschutzorganisation in Österreich ist so breit aufgestellt wie der Alpenverein. Deshalb halte ich es für sehr sinnvoll, mich in der Naturschutzarbeit des Alpenvereins zu engagieren, um so zum Erhalt der alpinen Naturlandschaften beizutragen.

Niedermoor im LängentalWieso liegt dir das Thema so am Herzen?

Mein Interesse für Naturschutz und Umweltthemen wurde vor circa zehn Jahren geweckt. Nach der Matura bin ich mit Freundinnen durch Südostasien gereist. Besonders beeindruckt hat mich das Gebirge im Norden von Laos. Dort gibt es noch Urwälder und Wildflüsse – das kannte ich so von zu Hause nicht. Ich habe selten so schöne Landschaften gesehen. Gleichzeitig sind mir damals einige Umweltprobleme ins Auge gestochen: die weitläufigen Entwaldungen für Gummibaumplantagen, das massive Müllproblem – der Müll wird oft einfach in die Flüsse geschmissen – und die  geplanten Wasserkraftwerke am Mekong, die den Fischreichtum der Region und damit die Lebensgrundlage vieler Menschen gefährden. Ich habe mich schon lange für politische und soziale Themen interessiert, aber erst durch diese Reise wurde mir bewusst, wie sehr unser Zusammenleben durch die natürliche Umwelt geprägt ist. Viele gesellschaftliche Konflikte sind im Kern Konflikte um die Nutzung natürlicher Ressourcen. Abgesehen davon bereichert es mein Leben, wenn ich mich schönen Naturlandschaften widmen kann. Besonders Flüsse haben mir immer schon gefallen. Sie sind in ständiger Veränderung und formen die umliegende Landschaft wie kaum ein zweites natürliches Element. Deshalb habe ich mich nach meinem Bachelor in Umwelt- und Bioressourcen-Management an der BOKU entschlossen, mich in Limnologie, also Gewässerökologie, weiterzubilden.

An welchen Projekten arbeitet ihr in der Sektion?

Mir sind das Längental und die Gebirgsbäche Fernaubach, Daunkogelfernerbach, Unterbergbach, Fischbach, Schranbach und Winnebach in den Stubaier Alpen ein besonderes Anliegen. Ihnen droht mit dem Bau des Speicherkraftwerks Kühtai unwiederbringlicher Schaden. Ich habe deshalb im Rahmen eines Filmabends in der Bergstation in Telfs, der Kletterhalle der Sektion Hohe Munde, für die sich anbahnende Naturzerstörung sensibilisiert. Letzten Sommer haben der Österreichische Alpenverein, der Deutsche Alpenverein und der Alpenverein Südtirol gemeinsam eine Pressewanderung unter dem Motto #UnsereAlpen organisiert, um die Medien über die Folgen des Kraftwerksbaus für das alpine Ökosystem zu informieren. Als Limnologin konnte ich vor Ort am Bespiel des Fischbachs die Dynamik natürlicher Wasserläufe erklären und auf die gewässerökologischen Auswirkungen des Bauprojekts eingehen. Da im Mai mit den Vorarbeiten zur Errichtung des Speicherkraftwerks im Längental begonnen wurde, stehe ich jetzt wieder in stärkerem Austausch mit der Abteilung Raumordnung und Naturschutz des Hauptvereins, um meine gewässerökologische und naturschutzfachliche Perspektive einzubringen.

Bauarbeiten im Längental in Tirol
Bauarbeiten im Längental in Tirol – Mai 2020

Außerdem hat sich kürzlich ein spannendes Feld zur Zusammenarbeit mit der Bergwacht Obsteig und der Tiroler Schutzgebietsbetreuung ergeben. Das Landschaftsschutzgebiet Mieminger Plateau liegt in unserem Sektionsgebiet und braucht dringend ein partnerschaftlich erarbeitetes Besucherlenkungskonzept, das die wertvollen Naturräume mit ihren oft geschützten Tier- und Pflanzenarten vor Überbeanspruchung schützt und das Müllproblem unter Kontrolle bekommt. Wir haben uns im Frühling entschlossen, das gemeinsam anzugehen und schon einige gute Ideen dazu. In besonders guter Erinnerung habe ich auch die „Vielfalt bewegt!“– Exkursion, die ich zusammen mit dem Botaniker Moritz Falch geleitet habe. Die Sektion Hohe Munde hat jedes Jahr im Sommer eine Umweltbaustelle. Im Jahr 2018 stand die Sanierung eines Steigs am Wetterkreuz in der Mieminger Kette an. Den Praktikantinnen und Praktikanten haben wir an ihrem freien Tag eine Exkursion mit botanischen, geologischen und gewässerökologischen Inhalten angeboten und gemeinsam die App des Alpenvereins zum Monitoring der alpinen Artenvielfalt ausprobiert. Das war ein toller Tag, weil die Gruppe durchwegs engagiert und sehr sensibilisiert in Umweltbelangen war.

Welches Potenzial liegt in einem Naturschutzteam in der Sektion?

Die Naturschutzarbeit kann nur profitieren, wenn sich mehre Menschen zusammenschließen. Oft macht es einfach mehr Spaß, sich gemeinsam mit anderen für ein Anliegen einzusetzen. Man kann einerseits in einer bestimmten Naturschutzangelegenheit durch die Teamarbeit mehr bewegen, andererseits eröffnet es der Sektion auch die Möglichkeit, sich naturschutzfachlich viel breiter aufzustellen. So kann beispielsweise jemand den Fokus auf Klimaschutz legen, während sich ein anderes Teammitglied für Müllvermeidung beim Wandern oder wildtierschonenden Bergsport einsetzt. Nach dem Motto „think global, act local“ kann ich jedem umweltbewegten Menschen empfehlen, sich in den Naturschutzteams zu engagieren. Eine besondere Stärke des Alpenvereins ist die starke lokale Verankerung durch die Sektionen. Als Naturschutzreferentin oder Teil des Naturschutzteams bekommt man es idealerweise rasch mit, wenn sich ein dringliches Natur- und Umweltschutzthema im Sektionsgebiet heranbahnt. Durch die gute örtliche Vernetzung kann man Unweltschutzthemen nicht nur theoretisch analysieren, sondern vor Ort versuchen, aktiv etwas für die Natur und den Umweltschutz zu bewegen.

Naturschutzreferent*in werden:

Liegt dir der Erhalt der Schönheit und Ursprünglichkeit unserer Alpen am Herzen? Dann werde aktiv! In jeder Sektion ist die Funktion einer Naturschutzreferentin*eines Naturschutzreferenten verankert, die*der teilweise auch durch ein Naturschutzteam unterstützt wird. Die Bandbreite an Themen und Betätigungsfeldern ist genauso vielfältig wie die Personen, die ihre kostbare Freizeit dem Naturschutz im Alpenverein widmen. Ganz nach dem Motto „learning by doing“ werden jährlich verschiedene Fortbildungen, ein Lehrgang und ein Seminar mit dem Ziel angeboten, praktische sowie theoretische Grundlagen zu erlangen und sich mit anderen motivierten Ehrenamtlichen auszutauschen. Ist dein Interesse geweckt? Dann melde dich bei deiner Sektion oder der Abteilung Raumplanung und Naturschutz  unter raumplanung.naturschutz@alpenverein.at.

Alle Termine und Infos zur Naturschutz-Ausbildung findest du unter hier

+ posts

Anna Schöpfer (31) setzt sich in der Sektion Hohe Munde für Naturschutz ein. Der Schutz der letzten naturbelassenen Alpenflüsse ist das zentrale Anliegen der Tiroler Limnologin.

Comments are closed.