Kürzlich am Gipfel des Ortlers: Traumhafte Fernsicht auf den Piz Bernina im Westen und die Weißkugel im Norden, nur ein paar harmlose Nebelfelder ziehen entlang der Nordwand der benachbarten Königsspitze. Wir suchen einen Platz, um dieses grandiose Panorama und unsere Jause zu genießen. Doch schon beim ersten Bissen in die Landjäger steigt uns ein unangenehmer Geruch in die Nase. Das Übel liegt zu Füßen: eine Wurst der anderen Art, mit Papiertaschentüchern garniert. Salame umano su bouquet di fazzoletti. Da hilft auch keine italienische Aussprache; es bleibt eine ungustiöse Angelegenheit. Wären wir nicht so hungrig gewesen, wäre uns glatt der Appetit vergangen. Aber kann der Verursacherin oder dem Verursacher ein Vorwurf gemacht werden? Was tun, wenn‘s pressiert?

Zugegeben, diese Person war sicher vielmehr Opfer eines willkürlichen Verdauungssystems als mutwillige*r Landschaftsbeschmutzer*in. Bei allem Verständnis für die missliche Lage hätte dieser Outdoor-Toilettengang aber dennoch besser gelöst werden können. Dass es trotz der exponierten Umgebung die Möglichkeit gegeben hätte, die Hinterlassenschaften etwas diskreter als direkt in der Aufstiegsspur zu platzieren, darüber waren sich alle vorbeikommenden Gipfelbesucher*innen einig. Doch auch das verwendete Putzmaterial war nicht ideal. Den meisten Bergsportler*innen ist inzwischen klar, Müll gehört nicht auf den Berg.

Dass auch weggeworfene Papiertaschentücher (Verrottungszeit eines Papiertaschentuchs 1-5 Jahre) ein Problem darstellen, dürfte aber noch nicht so bekannt sein. Zumindest ist dieser Schluss naheliegend, wenn man einen Blick auf die mit Taschentüchern gesäumten Ränder so manch viel begangener Wege wirft. „Tatort Ortler“ verkommt dabei im Vergleich fast schon zu einem harmlosen Fall. Doch worin liegt das Problem? Menschliche Ausscheidungen, Papiertaschentücher – das ist doch alles organisch und biologisch abbaubar?


Eine Analyse des Themas „Klo am Berg“ anhand dreier Komponenten inklusive Empfehlungen des Alpenvereins:

  • Die Exkremente-Komponente:

Menschliche Ausscheidungen wirken wie Dünger und können Ökosysteme am Berg empfindlich verändern. Besonders problematisch ist, wenn Fäkalbakterien und andere im Kot vorhandene Krankheitserreger (Viren, Parasiten) in Gewässer gelangen. Deshalb sollte unbedingt ca. 50 Meter Abstand zu Bächen, Seen und Tümpeln gehalten werden. Das gilt sowohl für das kleine, wie auch für das große Geschäft. Für Letzteres sollten wir uns ein Beispiel am reinlichen Dachs nehmen (siehe Beitrag auf der vorherigen Seite) und unsere Hinterlassenschaften einschaufeln (ca. 15-20 cm) oder unter Steinen und Zweigen verstecken. Oder wieder mit ins Tal nehmen. Im Schnee lässt sich zwar recht einfach ein Loch graben, verborgene Bäche und Pfützen zu lokalisieren, ist aber umso schwieriger. Zudem können Keime auch über schmelzenden Schnee in den Wasserkreislauf gelangen.

  • Die Müll-Komponente:

Je höher Naturliebhaber*innen hinaufsteigen, desto sensibler wird der Lebensraum und auch die Verrottungszeiten verlängern sich. Bei Papiertaschentüchern kann es bis zu fünf Jahre dauern, bis diese zersetzt sind. Deutlich schneller verrottet Klopapier, aber am besten wäre, gebrauchtes Papier wieder mit ins Tal zu nehmen. Deshalb sollte neben der medizinischen Rucksackapotheke auch ein spezielles Erste Hilfe-Set für den Notdurft-Fall, bestehend aus Klopapier und Beutel, in den Rucksack. Keine Alternative ist das Verbrennen von gebrauchtem Papier – Waldbrandgefahr! Mit etwas Kälteresistenz kann im Winter ein Schneeball das Klopapier ersetzen.

  • Die Sozial-Komponente:

Am Berg sind wir nicht allein. Neben Tier- und Pflanzenwelt gilt es auch, auf andere Menschen Rücksicht zu nehmen. Das Tabuthema rund um den Klogang am Berg birgt großes Konfliktpotenzial. Aber bereits einfache Maßnahmen können zur Konfliktvermeidung beitragen. So sollte, wie bereits beim Ortler-Beispiel erwähnt, genügend Abstand zu Aufstiegsspuren oder Wanderwegen gehalten werden – nur so bleiben diese attraktiv. Dies auch angesichts der Tatsache, dass offensichtlich verschmutzte Bereiche immer noch mehr Schmutzfinke anlocken. Vielerorts klagen Bauern, Jägerinnen und Grundbesitzer über Toilettenmüll und Geruchsbelästigung im Nahbereich ihrer Infrastruktur. Stadel, Reviereinrichtungen und Gerätschaften sind keine Klos!

Diese Punkte zeigen: Es ist nicht wurst, wie der Klogang in freier Natur abgewickelt wird. Der Berg sollte wirklich nur im Notfall als Toilette dienen. Denn, auch wenn Bewegung die Verdauung anregt und dies der Grund sein mag, warum’s am Berg öfter drückt, so könnte sich das ein oder andere Bedürfnis sicherlich noch am Ausgangspunkt erledigen lassen. Oft ist es nur eine Frage des Timings.

Immer mehr Menschen zieht es in die Berge, somit steigt auch die Zahl der „potenziell Bedürfnisgeplagten“. Der Alpenverein klärt im Rahmen der Aktion „Saubere Berge“ seit vielen Jahren über naturverträgliche Verhaltensweisen am Berg auf. Dazu zählt auch das Thema „Klo am Berg“ – auch hier gilt es, mit gutem Beispiel voranzugehen.

Empfehlungen:

Mehr zur Kampagne rund um den Toilettengang am Berg hier.

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Benjamin Stern arbeitet in der Abteilung Raumplanung und Naturschutz und ist als Berg- und Skiführer aktiv.

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