Es war um den 20. Jänner. Snowboarden daheim, am Hausberg. Ja – wir durften uns auch zu den glücklichen Tiroler*innen zählen, die den Lockdown nutzten und viel Zeit am Berg verbrachten. Es war ein Samstag. Wir, das sind meine beiden zwölf und 14 Jahre alten Buben, saßen gerade am Lift. Propellerbrummen, ein Hubschrauber flog Richtung Kühtai. Ein Hubschrauber ist nichts Besonderes.

Es folgte ein zweiter Hubschrauber – und dann flog der erste wieder retour und dann gleich wieder über uns hinweg Richtung Kühtai. Man weiß dann einfach, dass irgendwo in der Nähe ein Lawinenabgang gewesen sein muss. Dass Bergretter*innen zur Unfallstelle geflogen werden. Das sind die Momente, in denen es einem kalt über den Rücken läuft und man einfach hofft, dass nichts Gröberes passiert ist.

Am späteren Nachmittag dann die ersten Meldungen. Eine MEGA-Lawine auf der linken Seite und eine auf der rechten, irgendwo unterhalb vom Stausee. Ein Bub im Alter von 16 Jahren ist in der Lawine gestorben. Betroffenheit. Stille.

I FELT, I HAVE TO SHARE THIS!

Einige Tage später, kurzer Swipe über das Handydisplay, ein routinemäßiger Instagram Check. Der Blick bleibt an einer sehr simplen Einstellung hängen. Ein leerer Stuhl auf einer Terrasse, blauer Himmel, es wirkt sehr kalt. Im Hintergrund eine imposante Bergkulisse und ein Paar Skischuhe. Von der rechten Seite kommt eine junge Frau ins Bild. Mit lilafarbener Winterjacke und dunkler Kappe. Sie setzt sich auf den Stuhl, schaut gerade aus in ihre Handykamera. Man spürt sofort, dass sie etwas sehr bewegt, der Blick fällt zum kurzen Text: „VERY IMPORTANT MESSAGE. Please listen.

Es handelt sich bei der Frau um Arianna Tricomi, dreifache Freeride World Tour-Weltmeisterin. Sie war
im Zillertal dabei. Bei einem Lawinenabgang, wo ein 15-Jähriger verschüttet wurde. Sie war als eine der Ersten an der Unfallstelle. Der Bub verstarb Tage später im Krankenhaus in Innsbruck. Arianna erzählte, was passiert war und stellte Fragen: nach dem Umgang mit Bildern in sozialen Medien, nach unser aller Verantwortung. Der Verantwortung, von einem ganzen Business.

Ariana Tricomi
Ariana Tricomi / Quelle: www.instagram.com/ari_tricomi

Die Kamera bleibt konsequente neun Minuten und 30 Sekunden auf Arianna gerichtet. Die neun Minuten 30 machen betroffen. Die eigene Sterblichkeit zieht an einem vorbei. Die Lawine lastet auf einem selbst, es ziehen die Gesichter der eigenen Kinder vorbei. Die neun Minuten 30 gehen unter die Haut.

Wir von risk´n´fun haben das Bild der jungen Frau mit in den restlichen Winter genommen. Haben es als Anlass genommen, stehenzubleiben und zu schauen, was sich in den letzten Jahren getan hat. Die Zeit dazu gab uns der Lockdown. In einem der herausforderndsten Winter seit langem: mit großen Niederschlagsmengen, einem heimtückischen Schneedeckenaufbau und dem großen Bedürfnis vieler Menschen, rauszugehen und draußen in den Bergen unterwegs zu sein.

Ein Winter, in dem das praktische Unterwegssein mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen im Rahmen unserer Ausbildungstätigkeiten jedoch nicht möglich war.

FRAGEN

Wer ist eigentlich heute am Berg, abseits der gesicherten Pisten, unterwegs? Sind es immer noch ein paar Freaks, wie damals, um das Jahr 2000, als risk´n´fun FREERIDE seinen Anfang genommen hat?

Wie hat sich die Informationsweitergabe in den letzten Jahren verändert? Was macht die ständige Erreichbarkeit mit uns? Was die unzähligen Bilder, die Tag für Tag auf uns über diverse Social Media-Kanäle einprasseln? Was vermittelt uns eine einzelne Bildaufnahme? Was wird dabei alles nicht gezeigt?

Splitboard Winter 2021
Unterwegs mit risk’n’fun. Foto: Rudi Whylidal.

Wie wirken sich all diese Entwicklungen auf unsere methodischdidaktischen Konzepte aus? Sind wir da noch am Puls der Zeit? Was ist eigentlich der Kleber, das Verbindende, von unseren Ausbildungsprogrammen? Was gehört adaptiert, wo muss nachgeschärft werden? Wie können wir in einer Zeit, die geprägt ist von Superlativen, Likes und Quantitäten weiterhin einen Rahmen spannen, in dem die Qualitäten jedes Einzelnen im Mittelpunkt stehen?

IM MITTELPUNKT DER MENSCH

Wir sind gedanklich immer wieder bei dem Bild von Ari Tricomi gelandet. Im Mittelpunkt der Mensch. Mit all seiner Freude, Verletzlichkeit und Leidenschaft. Den Möglichkeiten, Neues zu bewirken. Auch wir von risk´n´fun sind den ganzen Winter draußen unterwegs beim Freeriden.

Aber uns ist im letzten Winter auch wieder klar geworden, dass es bei risk´n´fun nicht nur um die Sportart und die ganzen „harten“ Kompetenzen an sich geht, sondern dass es darüber hinaus auch immer um eine Haltung geht. Eine respektvolle Haltung gegenüber uns selbst, unseren Shredbuddies und der Umwelt. Um uns als Mensch(en).

In diesem Sinne hoffen wir, dass der Winter 2022 es wieder ermöglicht, Trainingstermine abzuhalten. Dass wir gemeinsam Freeriden werden, uns weiterentwickeln können und auch gemeinsam Zeit haben, Geschichten auszutauschen.

In diesem Sinne: Dank an Ari Tricomi für die neun Minuten 30, und was sie mit uns gemacht haben. „We felt, we have to share this, too!“

#risknfun_Shredheads

Wir haben uns auf die Suche gemacht. Gemeinsam mit drei Fotografen, und ihren Kameras. Wir haben Gesichter gefunden. Von Menschen, die draußen in den Bergen unterwegs sind, die zeigen, wer unterwegs ist.

risknfun_shredheads Bei risk´n´fun stand immer schon der Mensch im Mittelpunkt. Mit all den Dynamiken, den Vibes, Kompetenzen, der Freude und dem Spaß und auch den Fehlentscheidungen. Wir wollen für den kommenden Winter nochmals ganz gezielt den Fokus auf alle werfen, die da draußen in den Bergen unterwegs sind und ihren Geschichten zuhören. Geschichten, in denen wir uns möglicherweise ein Stück selbst wiederfinden, von denen wir lernen können.

Teilt eure Geschichte mit uns, checkt den Hashtag #risknfun_Shredheads. Dank an die beteiligten Fotografen: Rudi Wyhlidal, Heli Düringer, Stefan Scheitl für unsere ersten risk´n´fun SHREDHEADS auf unserem aktuellen Wintersujet auf der letzten Heftseite. Die Geschichten dazu findet ihr in den folgenden Wochen auf den Social Media-Kanälen von risk´n´fun und der Alpenvereinsjugend.

Alle weiteren Infos zu den risk´n´fun FREERIDE Terminen und Angeboten für Sektionen gibt es unter
www.risk-fun.com

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Dani Tollinger ist seit 2000 im Leitungsteam von risk'n'fun und für die Gesamtleitung verantwortlich.

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