Über Freeriden als Denksport, gute „friends on powder days“ und die Tatsache, dass eine gute Planung nicht nur das halbe, sondern das ganze Leben sein kann.

4 Tage abseits der Pisten: als Team Entscheidungen treffen, Wissen und Bauchgefühl miteinander verbinden und richtig gute Rides haben! Das ist die risk’n’fun Trainingssession, das erste Level des vierteiligen Freeride-Ausbildungsprogramms der Alpenvereinsjugend.Sonntag, 9.2.2020, 15 Uhr – Nach und nach treffen die Teilnehmer*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz bei der Talstation in Serfaus-Fiss-Ladis ein, wo uns Max vom risk’n’fun Team und unser Bergführer Herwig willkommen heißen. Die Liftpässe werden verteilt und kurz darauf sitzen wir auch schon in der Gondel, die uns direkt zu unserem Basecamp mitten im Skigebiet bringt, dem Kölner Haus. Die Gruppe ist bunt gemischt: Snowboarder und Skifahrerinnen, die Altersspanne reicht von 16 bis 35 und das Vorwissen ist unterschiedlich: für manche sind es die ersten Tage abseits der Pisten in dieser Saison – erzählen sie bei der Bergfahrt – andere sind schon viel im Gelände unterwegs gewesen dieses Jahr.Es stürmt draußen, als wir nach dem Abendessen beisammensitzen. Die ersten checken bereits den Lawinenlagebericht und Herwig erläutert die aktuelle Wetter- und Schneesituation: Wind, Neuschnee, eine Kaltfront im Anmarsch, davor war es warm. Die Verhältnisse sind tricky und eines steht fest: diese Woche werden wir richtig viel lernen. Im Lawinenlagebericht ist vom Altschnee-, Neuschnee- und Triebschneeproblem die Rede und Herwig erklärt, was uns am nächsten Tag erwarten wird. „Und auch wenn wir sorgfältig planen, kann es in der Realität morgen anders aussehen!“  wirft Max ein und ergänzt, dass es morgen vor allem um das WAHRNEHMEN gehen wird.

Tag 1 startet mit einem großen LVS-Check und dann geht’s los. Oben angekommen fragt uns Herwig, was wir in der Umgebung wahrgenommen haben. Spärliche Antworten aus unserer Runde. In der Euphorie haben wir unsere Blicke mehr zueinander, als auf die umliegenden Hänge gerichtet. Ein erstes gutes Learning: Vom Lift aus kann man schon einiges wahrnehmen! Sind Windzeichen zu erkennen? Wie ist die Sicht? Entspricht das Wetter dem Wetterbericht? Wie steil schätzt man die Hänge ein? Wie geht es mir heute? Wir fahren los. Vor jedem Hang tauschen wir uns darüber aus, was wir wahrnehmen und entscheiden dann, ob und wie wir den Hang abfahren: Einzeln, mit Abständen, im buddy system? Trotz relativ schlechter Sicht finden wir ein paar richtig gute Hänge.

Am Tag 2 finden wir ähnliche Bedingungen vor: Sturm, Lawinenwarnstufe 3 und wenig Sicht. Unsere Möglichkeiten sind eingeschränkt, was uns Zeit gibt, an unseren soft skills und hard skills weiterzuarbeiten. Wir machen ein Schneeprofil, schauen uns die verschiedenen Schneeschichten an und versuchen einzelne Schichten „loszutreten“. Mittels Hangneigungsmesser (digital oder analog) und der Pendelmethode messen wir Hänge und versuchen sie auch immer wieder ohne zu messen einzuschätzen. Am Nachmittag widmen wir uns der Verschüttetensuche und machen uns mit den unterschiedlichen LVS-Geräten vertraut. Zurück in der Hütte geht es erstmalig daran, in Gruppen den nächsten Tag selbstständig zu planen und eigene Strategien zu erarbeiten, die wir uns danach gegenseitig präsentieren.

Mit Herwig und Max im Schlepptau preschen wir am nächsten Tag voraus und setzen unsere eigene Strategie in die Realität um. Tag 3 steht ganz im Zeichen der zweiten Säule von risk’n’fun: dem BEURTEILEN. Vor dem Einfahren in jeden Hang wird ausgiebig diskutiert und Herwig wiegt gemeinsam mit uns die Pros und Contras ab. Neben Diskussionen über Hangsteilheit und Schneebeschaffenheit, geht es auch um die soft skills: Wissen alle wo es hingeht? Sind die Treffpunkte bekannt? Wie wird abgefahren? Ebenfalls am Programm heute: die Mehrverschüttetensuche. Wer setzt den Notruf ab? Wer sucht? Wer koordiniert? Wer schaufelt? Aus einem anfangs chaotischen Durcheinanderlaufen wird schnell ein relativ geordneter Ablauf und obwohl uns unsere Kolleg*innen ein Schnippchen schlagen wollen und so taten, als würden sie unsere Sprache nicht verstehen, gelingt es uns drei Rucksäcke unter 15 Minuten zu bergen. Yes! Das Ganze war nur eine Übung und dennoch spüren wir alle das Adrenalin und die Aufregung in dieser Stresssituation, auf die alle unterschiedlich reagieren. Das ist auch Thema bei unserer Übung am Nachmittag, wo es wieder um die soft skills geht. Wie risikofreudig schätzt man sich selbst sein? Was macht Gruppendynamik mit jedem Einzelnen?

Am Tag 4 werden wir von ungetrübtem Sonnenschein geweckt: blue bird! Es hat aufgeklart: in unseren Köpfen und am Himmel. Max und Herwig treten heute in den Hintergrund und überlassen uns als Gruppe das ENTSCHEIDEN. Wir sind bei der dritten Säule von risk’n’fun angelangt. Allgemeine Euphorie über all die unverspurten Hänge macht sich breit. Pläne werden überschnell geschmiedet und wollen sofort in die Tat umgesetzt werden. Aber wir können uns selbst korrigieren und halten inne: zum Wahrnehmen, Beurteilen und Entscheiden. Die Mittagspause lassen wir an diesem Traumtag ausfallen und fahren bis zur letzte Minute durch.In der Feedbackrunde lassen wir die Woche noch einmal Revue passieren und kommen zum Schluss, dass der Umgang mit Risiko und das Treffen von Entscheidungen nicht nur beim Freeriden, sondern in vielen Bereichen des Lebens zum Tragen kommt. Danke an das Team von risk’n’fun für diese lehrreiche und einfach saucoole Woche in Serfaus-Fiss-Ladis!

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Pia Payer ist Mitarbeiterin in der Abteilung Jugend des Österreichischen Alpenvereins und für das Ehrenamt im Alpenverein zuständig.

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